Vor einem Jahrzehnt verfasste der Futurologe David Brin sein Sachbuch über die "transparente Gesellschaft". Experten stellten die Thesen des oft mit George Orwells "1984" verglichenen Werks rund um die digitale Durchsichtigkeit und das Ende der Privatsphäre nun während der Konferenz "Computers, Freedom, and Privacy 2008" (CFP) in New Haven (US-Bundesstaat Connecticut) auf den Prüfstand. Teils lobten sie dabei die Weitsicht des Autors, der den Versuch der Kontrolle personenbezogener Daten in der vernetzten Welt als Idee von gestern abtat und Privatheit als reine Geschmacksnote und soziale Erwartung charakterisiert hat. Teils warfen sie Brin aber auch eine Vermischung verschiedener Vorstellungen von Transparenz vor und verteidigten das Konzept des Datenschutzes.
Bürgerrechtler sehen mit den "Information Fusion Centers" der Sicherheitsbehörden in den USA den kafkaesken Albtraum wahr werden, dass "Beweise" für das Begehen von Verbrechen rund um geringfügige Verdachtsmomente konstruiert werden. Strafverfolger würden mit Hilfe der zentralen Datenbankeinrichtungen Indizien für ein Vergehen schon bei einer leisen Ahnung in Kooperation etwa mit Banken, Vermietern oder Internetprovidern zusammentragen, erläuterte Mike German, Justiziar bei der American Civil Liberties Union (ACLU), die Funktionsweise des von der US-Regierung vorangetriebenen Sicherheitsprojekts auf der Konferenz "Computers, Freedom, and Privacy 2008" (CFP) in New Haven.
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Das US-Department of Homeland Security (DHS) hat 2004 im Rahmen des Kampfs gegen den Terror angefangen, Zentren für die Sammlung umfangreicher Dossiers über Bürger einzulegen. Inzwischen gibt es nach Angaben der Behörde 58 solcher Datensammelstätten, die erst seit kurzem im Blickpunkt einer breiteren Öffentlichkeit stehen. Ziel der computergestützten Verschmelzungsanlagen ist nicht nur die Intensivierung des Informationsaustauschs zwischen lokalen, staatlichen und bundesstaatlichen Behörden aller Art sowie auch dem Militär. Vielmehr geht es auch um die Verknüpfung der dort angehäuften personenbezogenen Daten mit den Informationshalden privater Auskunfteien sowie anderer kommerzieller Datenjäger.
Ein Jahr nach dem Start des Angebotes, bundesweit Freiheitsredner für Vorträge über den Wert der Privatsphäre zu vermitteln, zieht der Rednerdienst ein positives Fazit. Im ersten Jahr wurden Freiheitsredner von Schulen, Universitäten und von Demonstrationsveranstaltern gebucht und hielten über 70 Vorträge. Dem Netzwerk der Freiheitsredner gehören derzeit 81 ehrenamtliche Redner und Rednerinnen in ganz Deutschland an.
Unbekannte Passagen eines im März 2008 unterzeichneten Abkommens zwischen Deutschland und den USA zum behördlichen Datenaustausch sorgen für Empörung, berichtet der Spiegel in seiner kommenden Ausgabe. Das bilaterale Abkommen zwischen Deutschland und den USA "über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität" regelt den Datenaustausch zwischen den Ermittlern beider Ländern. So war bislang bekannt, dass die Behörden Name, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und Informationen zur Begründung des Terrorismusverdachts austauschen. Außerdem schafft das Abkommen die Grundlage für einen automatisierten Austausch von Fingerabdruck- und DNA-Daten.
Aus den USA und Großbritannien gibt es Berichte, wonach Internetprovider das komplette Online-Verhalten hunderttausender Nutzer mit Hilfe von Werbekontroll- Software ausgeschnüffelt und detailreiche Profile angelegt haben. Am meisten Kunden waren laut der Washington Post bislang jenseits des Atlantiks betroffen. Dort sollen Zugangsanbieter mindestens 100.000 Surfer beziehungsweise sogar 10 Prozent der US-amerikanischen Netzpopulation ausgespäht haben. Die dazu genutzte Methode der "Deep Packet"-Inspektion zur Durchleuchtung des gesamten Internetverkehrs vergleichen Kritiker mit dem Abhören von Telefongesprächen durch einen Telekommunikationsanbieter. Die entsprechenden Provider weisen den Vorwurf grober Datenschutzverstöße von sich. Bei der Tiefenanalyse würden keine Details erhoben, die zu einer persönlichen Identifizierung der betroffenen Nutzer führten.
Sperrungen von Internetseiten, die auf der Analyse von IP-Adressen, Port-Nummern, URLs oder Inhaltsdaten beruhen, sind nicht mit geltendem Recht vereinbar. Zu diesem Ergebnis kommen Juristen des Freiburger Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in einer neuen Studie. Das Fazit der Experten: Die geltende Rechtslage erlaube keine Sperrungen, "die in das von Artikel 10 Grundgesetz und Paragraph 88 Telekommunikationsgesetz geschützte Fernmeldegeheimnis eingreifen". Die Studie war von der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) in Auftrag gegeben worden, um nach den Sperrverfügungsverfahren der Bezirksregierung in Düsseldorf rechtliche Klarheit zu schaffen.
Die Proteste gegen die am gestrigen Dienstag in Kraft getretene Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetverbindungwsdaten dauern auch im neuen Jahr an. Nach Hamburg stehen nun Trauermärsche über die verdachtsunabhängige Aufzeichnung der Nutzerspuren und den damit verknüpften Verlust der Privatsphäre auch in Kassel, Frankfurt und München an. Dabei wird von Bürgerrechtlern jeweils der Sarg als Symbol für den Abbau von Grundrechten durch die Innenstädte getragen, der bereits in der Hansestadt zum Einsatz kam. Laut dem Veranstalter der Kundgebungen, dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, soll der Totenschrein bereits am heutigen Mittwoch in Kassel eintreffen, wo die Demonstration um 16 Uhr am Königsplatz starten soll. Treffpunkt für die Teilnehmer des darauf folgenden Trauerzugs in Frankfurt am Main am Donnerstag ist um 19 Uhr am Paulsplatz, von wo aus es durch die Zeil zur Konstablerwache geht. Neben dunkler Trauerkleidung empfiehlt der Arbeitskreis das Mitbringen von Fackeln oder Grablichtern.
Der Chaos Computer Club (CCC) fordert zur Stärkung der demokratischen Partizipationsmöglichkeiten Möglichkeiten zur heimlichen Online-Durchsuchung der Computer sowie anderer "informationstechnischer Systeme" von Volksvertretern und Regierungsmitgliedern. "Wir brauchen den Bürgertrojaner für mehr Bürgerbeteiligung", sagte der frühere CCC-Sprecher Ron am gestrigen Abschlusstag des 24. Chaos Communication Congress (24C3) in Berlin in Anspielung auf die Begehrlichkeiten aus dem Bundesinnenministerium und der Union nach dem so genannten Bundestrojaner. Schon im vergangenen Jahr hatte der Hackerverein die Netzbürger zu einer stärkeren Überwachung von "Problempolitikern" aufgerufen, um frühzeitig Maßnahmen zur Abwehr der hohen Korruptionsgefahren treffen zu können.